(Rio de Janeiro) Am Freitag Abend fanden an der Copacabana Meditationen zum Kreuzweg statt. Dazu veröffentlichen wir einige persönliche Eindrücke eines traditionsverbundenen Katholiken. Ergänzend sei erwähnt – weil der Autor der nachfolgenden Zeilen dies nicht mehr miterlebt hat – daß abschließend von allen gemeinsam ein Vater unser in Latein gebetet wurde, bevor der Papst den Segen spendete. Wer sich die Veranstaltung ansehen möchte, kann dies über Radio Vatikan tun. Die Ansprache von Papst Franziskus kann hier nachgelesen werden.
27. Juli, 6.45 Uhr, Radioweltnachrichten, RAI3, einer der vielen Fernseh- und Radiosender, dessen Nachrichten seit dem 13. März 2013 zahme und wohlwollende „Zweigstellen des vatikanischen Presseamtes“ geworden sind. Es wird, wie immer, mit ausführlichem O‑Ton-Hintergrund vom „Kreuzweg-Ritus“ berichtete, der gestern Abend an der Copacabana stattfand. Der Ort war schon immer so geplant und hat nichts mit der allerdings für heute notwendigen Verlegung der Gebetsvigil und der morgigen Heiligen Messe mit dem Papst von der umstrittenen Papstbühne von Guaratiba zu tun, die nach Regenfällen im Schlamm versunken ist.
Die „fromme Übung“ des Kreuzweges bedient sich manchmal theatralisch-dramatischer Elemente, um das Gebet der Gläubigen zu verstärken. Das war schon immer so und entspricht einem inneren Bedürfnis des gläubigen Herzens angesichts der Dramatik der betrachteten Ereignisse der Heilsgeschichte.
Viele Medien beharrten auf dem Begriff „Ritus“, der natürlich in der öffentlichen Meinung die vom Amt für die liturgischen Feiern des Papstes genannte offizielle Bezeichnung sofort in den Schatten stellte. Nicht von „Ritus“ ist dort die Rede, sondern von einer Via Sacra com os jovens, von einem „Geistlichen Weg mit der Jugend“. Soweit feststellbar wurde die offizielle Bezeichnung in allen Sprachen korrekt in das Programm übernommen ausgenommen Deutsch und Italienisch. Wo das Mißverständnis aufgetreten ist, kann ich nicht sagen. In den offiziellen Weltjugendtagsprogrammen der deutschen und italienischen Bischofskonferenzen heißt der Programmpunkt „Kreuzweg“ und „Via Crucis“. Unter den Journalisten war das Durcheinander dann schnell perfekt.
Genau gestern Abend erhielt ich, Ironie des Schicksals, einen Telefonanruf von einem traditionalistischen Priester aus dem benachbarten, geschundenen Frankreich. Einem jener wenigen Priester, die wegen ihrer sturen doppelten Treue, zur Tradition und zum Papst, einen Tag etwas zu essen haben und zwei nichts … In dem langen telefonischen Gedankenaustausch forderte er mich auf, mehr in die Göttliche Vorsehung zu vertrauen und weniger mißtrauisch gegenüber dem derzeitigen medialen Drumherum, das wie ein intergalaktisches Schutzschild die Gestalt des Papstes umgibt.
Zum Glück! Bevor ich zu Bett ging, sah ich auf TV2000, dem Fernsehsender der italienischen Bischofskonferenz, in Direktübertragung den „Ritus“ der „Via Crucis“, so wurde der Programmpunkt des Papstes mit der Jugend an der Copacabana präsentiert, und ich wußte nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
Ich war drauf und dran die Staatenvorwahl 0033 zu wählen, um den französischen Priester anzurufen, der mich kurz zuvor aufgefordert hatte, zu hoffen und zu beten. Aber es war zu spät. Ich werde es heute tun.
So ging ich mit den Fernsehbildern zu Bett und so wurde ich heute Morgen mit der Radiomeldung aus dem Schlaf gerissen. Der Albtraum geht weiter. Um 6.45 Uhr, nachdem ich die Radionachrichten vom „Ritus des Kreuzweges“ gehört hatte, oder besser gesagt eines fernsehgerechten theatralischen Massenspektakels ohne jeden geistlichen oder frommen Inhalt und ohne Gebet, wie ich ihn am Vorabend bei der Direktübertragung bis zur 3. Station sehen mußte. Dann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin zu Bett gegangen, nicht ohne mir vorher auf Youtube die Via Crucis des Weltjugendtages 2011 in Madrid mit Papst Benedikt XVI. angeschaut zu haben. Der Vergleich drängte sich mir auf, als müßte ich mich selbst vergewissern. Ja, ich hatte es richtig in Erinnerung. Es liegen Welten dazwischen.
Liebe Journalisten, bitte, nennt das Spektakel, das am 26. Juli an der Copacabana inszeniert wurde, „heilige Aufführung“, nennt es „heiliges Drama“, „heiliges Schauspiel“ aber nennt es nicht „Ritus“ oder „fromme Übung“ und sagt nicht, „Kreuzweg gebetet“!
Als ich die Dutzenden von Burschen im Kleid der Meßdiener mit rauchenden Weihrauchfässern vor einem Priester im Talar mit traditionellem Chorrock mit Spitzen sah (jenen, die laut der von einigen Vatikanisten stark beeinflußten öffentlichen Meinung uns Traditionalisten angeblich so in Erregung bringen – aber bitte, wenn sie es glauben wollen …), dachte ich, daß sich der Choreograph dieses großen Spektakels vom Film Roma des großen Regisseurs Federico Fellini inspirieren ließ.
Ich mußte die Fernbedienung zur Hand nehmen, um die Lautstärke des Fernsehers aufzudrehen. Wenn ich gelegentlich bei TV2000 reinschaue, schalte ich immer den Ton aus, um mir nicht das Gerede anhören zu müssen). Ich wollte die Anrufungen Gottes und die Gebete der Anwesenden hören, der Jugendlichen.
Nichts zu machen! Von all dem, was ich sehen und hören konnte, gab es kein Gebet, sondern nur die Rezitationen der Darsteller.
Es gab keine Sakralmusik, keine geistlichen Lieder, jedenfalls nicht bis zur 3. Station, sondern nur musikalische Kommentare eines Orchesters im Umfang eines Symphonieorchesters und einem vokalen Echo eines Chores. Alles perfekt einstudiert und inszeniert.
Ich will den Ratschlägen meines französischen Priesterfreundes folgen und in meiner Kritik an den Massenmedien, „die Ehrenbürger des Vatikans“ sind, nicht übertreiben. Ich versuche sie möglichst wenig zu nützen, allein schon um der Gefahr einer Überdosis an zuckersüßem, triefendem Jubel zu entkommen.
Text: Messa in Latino
Bild: WJT/Messa in Latino